Mein Standpunkt | Gedanken über Nation und Nationalismus

Mein Standpunkt | Gedanken über Nation und Nationalismus

Mein Standpunkt | Gedanken über Nation und Nationalismus

Gedanken über Nation und Nationalismus

Von George Reinwart

Über 1.000 AfD-Anhänger und etwa 100 Gegendemonstranten standen sich am 21. August 2017 auf dem Dresdner Neumarkt gegenüber. Auf die Bühne der Kundgebung traten die Dresdner Bundestagskandidaten Anka Willms und Jens Maier und der Landesvorsitzenden der AfD Bayern, Petr Bystron. Die Veranstaltung folgte streng den demokratischen Regeln. Es gab keine Übergriffe. Die Polizei hatte wenig zu tun, da sie nur bei kleinen Plänkeleien zurückhaltend eingriff. Die Gegendemonstranten hatten sich ordnungsgemäß hinter einem langen Transparent versammelt. Ihre Unmutsbekundungen, im Inhalt nicht reichhaltiger als Sprüche von PEGIDA beim Montagsumzug, wurden ohne Verstärker vorgetragen. Die natürliche Stimmkraft der kleinen Schar reichte nicht, die AfD-Veranstaltung ernsthaft zu stören.

Erfreulicherweise kam es zwischen AfD-Anhängern und Gegendemonstranten zu einzelnen intensiven Gesprächen und zum Austausch von Flyern. Nicht wenige Touristen wandelten amüsiert und ungestört im „Niemandsland“ zwischen den Blöcken und den entspannten Polizeikräften und schossen eifrig Fotos. Für chinesische BesucherInnen mag so etwas ungewöhnlich und lehrreich gewesen sein. Bei bestem Wetter war von „Dunkeldeutschland“ nichts zu sehen.

Die meisten Gegendemonstranten waren jung. Bei ihren Rufen nach „Nie mehr Deutschland“ und „Refugees are welcome“ war ihnen nicht bewusst, dass fast alle ihre Schützlinge nicht nach „Europa“ schlechthin, sondern ausschließlich nach Deutschland kommen wollten, weil sie nirgendwo in der Welt mit so viel Unterstützung rechnen können. Andere Staaten oder Europa können oder wollen nicht annähernd so viel Mittel bereitstellen wie das Land, für dessen Abschaffung sie sich auf dem Neumarkt massiv ins Zeug legten.

Das von den Demonstranten mitgeführte Plakat „Nationalismus raus aus den Köpfen“ verweist auf ein Grundproblem der deutschen Geschichte und der deutschen Geschichtsrezeption. Wer Frankreich oder Polen zu einem Nationalfeiertag oder die USA zum Unabhängigkeitstag erlebt, erkennt deutlich die befremdliche Verklemmung Deutschlands beim Blick auf die eigene Nation und deren Geschichte. Der jüngste Tag der Unabhängigkeit, den ich gerade in den USA erleben durfte, vereinte Trump-Gegner und -Befürworter hinter „Stars and Strips“. In vielen Straßen wehten die Landesflaggen. Die Gräber verstorbener Militärs waren in Blau-Weiß-Rot getaucht und auf den Gräbern glänzten die Medaillen der Kriegsteilnehmer.

Deutschland war lange kein einheitlicher Staat. Viele Jahrhunderte bestand es aus einem Flickenteppich von Partialstaaten, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Nägeln gönnten. Die bürgerliche Revolution 1848 war ein Flop, die Einigung 1871 bewirkte ein Vertreter des Feudaladels. Auch die Revolution 1918 und die Weimarer Republik waren nicht erfolgreich. Die Neuordnung im bürgerlichen Sinne erfolgte im Westen Deutschlands durch die Siegermächte, die an einen „nationalen Aufschwung“ naturgemäß kein Interesse hatten. Für sich selbst nahmen und nehmen sie den Stolz auf die eigene Nation aber uneingeschränkt in Anspruch: „America first“. Insbesondere Westdeutschen machten sie dagegen klar, dass alles Nationale mit dem Dritten Reich in Verbindung stünde, also verwerflich sei. Dabei ist selbst der im Deutschen belastete Begriff „Nationalismus“ im internationalen Sprachgebrauch eher positiv belegt. Auch Wikipedia („Nationalismus“; Stand 22.8.2017) belegt das, dort heißt es: „Nationalismus bezeichnet Weltanschauungen und damit verbundene politische Bewegungen, die die Herstellung und Konsolidierung eines souveränen Nationalstaats und eine bewusste Identifizierung und Solidarisierung aller Mitglieder mit der Nation anstreben. Historisch erreichten nationalistische Ideen erstmals im ausgehenden 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution massenmotivierende praktische Auswirkungen.“

Nun bezeichnen sowohl die Französische Revolution wie auch der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg Höhepunkte im Kampf um bürgerliche Freiheiten. Vielleicht sollten wir alle einmal das Buch von Anthony Smith „Nationalism and Modernism: A critical Survey of recent Theories of Nations and Nationalism“ (London 1998) lesen. Smith sieht im Nationalismus eine zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Volk eine Selbstverwirklichung erreichen kann. Und nur durch deren Entfaltung könne es zu einer fruchtbaren und harmonischen Völkergemeinschaft kommen.

Für Frau Merkel ist vielleicht seine These interessant, dass die Staatsgewalt nach dem Willen der Nation (und nicht nach den Vorstellungen des internationalen Finanzkapitals – GR) zu handeln habe, um nicht ihre Legitimierung zu verlieren. Nationalismus im ursprünglichen Sinn hat also nichts damit zu tun, dass sich ein Volk über ein anders erhöht, wie das die Nationalsozialisten in verbrecherischer Weise in Perversion des Begriffs den Leuten einhämmerten und wie das Wort noch heute in Deutschland von vielen verstanden wird.

Es wird eine Aufgabe der AfD im neu gewählten Bundestag sein, dem Begriff der Nation und des Nationalismus im Kampf um ein Europa der Nationen wieder seine wahre, völkerverbindende Bedeutung zurückzugeben. Die Diskussion kann schon heute beginnen. Wir suchen die Einheit der Nation, keine neue Teilung.

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