Hohe Politik und großes Theater

Hohe Politik und großes Theater

Von Martin Plötze

Zuweilen geben unvermittelte Randbemerkungen und bezugnehmende Diskussionen einen tiefen Einblick in das motivierte Handeln der am politischen Prozess Beteiligten. Von bestechender Klarheit und bar jeglicher moralisierender Überwölbung bemühen sich die Agierenden um eine Vermittlung Ihrer Motivlagen.

Derzeit erleben wir im Dresdner Stadtrat und der rahmenden öffentlichen Begleitung ein zunehmendchoreographiertes „politisches Theater“. Nach den Vorstellungen der Regie jener bestimmenden Kraft des rotrotgrünen Bündnisses führen dabei die ranghohen Vertreter vermittels tribunenhafter Redebeiträge in die „moraltheoretisch einzig richtige Denkungsart“ ein. Nachfolgend bekunden die nachgeordneten Einheiten Zustimmung und unterlegen die wertvollen Gedanken des Vorsitzenden pointiert mit eigenen Ideen, vorzugsweise aber umfänglichen Tadel gegenüber dem politischen Gegner. Bemüht werden stets die höchstverfügbaren moralischen Kategorien, wie Demokratie, Respekt und soziale Gerechtigkeit.

Der Sachgegenstand hält dabei mitunter nicht annähernd die Höhe der angestrebten Aufregungslage. So sah sich in der zurückliegenden Sitzung die in Rede stehende Fraktion gehalten, nach einer lähmenden Tagesordnungsdebatte, geräuschvoll ihr geschlossenes Verlassen der Sitzung zu inszenieren. Den Sachgrund des Unbehangens bildete die Verlegung der „aktuellen Stunde“ auf den nächsten Tag. Gelegentlich verzichten beruflich eingebundene Stadträte auf eine Teilhabe am „Unterhaltungsprogramm“. Dagegen nehmen sie gerne an den Befassungen behandlungsbedürftiger Beschlußvorlagen teil. Dies führt, geeignete Mehrheitsverhältnisse vorausgesetzt, zu verständiger Strukturierung der Tagesordnung. Nun war aber die Zuschauertribüne gefüllt. Schnurstracks erblickten die Protagonisten großer Aufgeregtheit einzig in der Verlegung ein gegenüber dem Bürger respektloses Verhalten sonder Gleichen, was nach ihrem Bekunden den demokratischen Umgang gefährde. Eine abwägend gestaltende Lösung der Gemengelage im Vorab kam hingegen wohl nicht in Betracht. Der Unwille gegenüber den beabsichtigten „Darbietungen zum Thema Wohnen“ trat bereits in zurückliegenden Stadtratssitzungen zutage. Eine verständige Ansetzung des Tagesordnungspunktes auf einen zeitlich nachgeordneten Platz schien nicht anstrebenswert. Was kann es auch Wichtigeres geben als die schwungvollen Bekundungen des Vorsitzenden zum gefälligen Thema.

Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die aufgeregten Stadträte nicht pünktlich nach dem Abklingen des Effektes geräuschfrei wieder den Sitzungssaal aufgesucht hätten. Jedenfalls konnte die Darbietung im Rahmen eines beschlussreifen Befassungspunktes weitergehen. Rotrotgrün betrieb den Erwerb von Grundstücken zur Einlage in die WID. Nur diese Denkung konnte vor dem bestetem Vorwurf tiefster sozialer Kälte schützen. Einwände, wonach jene nicht durch konkrete Bauvorhaben unterlegten Erwerbungen die Grundstückspreise in Dresden beeinflussen und damit einer Entspannung des Wohnungsmarktes eher entgegenwirken, vermochten ebenso wenig Gnade finden, wie der Hinweis auf nicht einschätzbarer Marktrisiken für das Vermögen der Stadt aufgrund der derzeitigen Preisentwicklung oder die noch fehlende strategische Ausrichtung einer Grundstücksauswahl.

Zum Ende der bebenden Debatte erbat sich eine bürgerliche Fraktion kurze Auszeit. Ein Problem wäre zu klären. Wie verhält es sich, wenn die Finanzreserve der Stadt aufgebraucht sei. Wie ermittelt insbesondere der Finanzbürgermeister wann Schluß ist und in welcher Reihenfolge werden die beschlossene sozialen Projekte danach berücksichtiget. Die Befassung dieser Fragestellung erfolgte von Anfang an in auffallend ruhiger Weise auch von Seiten der ansonsten aufgeregt Agierenden. Der Bürgermeister konnte helfen. In der Reihenfolge der Beschlussreife wird unter Zuhilfenahme des Taschenrechners die Reserve „eingeschätzt“ und notfalls auch im Nachgang den Beschlüssen widersprochen. Die Wichtigkeit der Fragestellung bekräftigte umgehend die rotrotgrüner Seite. Man habe dies im Ausschuß bereits ausgedrückt und erhoffe sich klare Hinweise auf einen Einschätzungsrahmen. Der Finanzbürgermeister hielt darauf eine vorgehaltene Übersichtsdarstellung in die Luft und bekundete damit wohl seine Aufmerksamkeit. Er kann einschätzen, wann Schluß ist, der Bürgermeister hat ohnehin keinen Kummer, auch im Nachhinein zu intervenieren. Kein selbstverantwortlicher Stadtrat ist gehindert, bei Antragstellung höchstselbst den Taschenrechner zu bemühen.

Die „moralischen Kräfte“ wollen also planmäßig die Finanzreserve wenigstens auf Null setzen. Als Geheimwissen gibt sich der Befund ganz sicher nicht, allein die Ruhe bei der Behandlung der technischen Frage stellt die Energik der betriebenen Motivation unverdeckt.

Eine Finanzreserve hält ein Gemeinwesen vor, um auf unvorhersehende Gemenge-, etwa Notlagen reagieren zu können. Daneben eröffnen Finanzmittel Gestaltungsraum für einen gesamtkonzeptionellen Aufriß. Dies ist gänzlich unabhängig davon, welche Ausrichtung jene zukünftige Stadtratsmehrheit einnehmen wird. Solches gebührt den Dresdnern nach Vorstellung eines robusten Teils der politischen Akteure nicht. Die umgreifende Moral steht dagegen. Und wie sie das tut.

Die Beschlußvorlage über Grundstückserwerungen konnten letzlich unter Zuhilfenahme zweier fraktionsloser Stadträte (NPD) ihren Abstimmungserfolg verzeichnen. Jene erkannten darin ihre eigenen, bereits im September vorgetragenen Vorstellungen wieder und stimmten freudig zu. Dieses Stimmverhalten wurden selbstverständlich und ohne öffentliche Reflektion in das Konzept eingebaut. Dazu vergleiche man einmal die Kundgaben über Abstimmungsverhalten von CDU, AfD und Freien Wählern. Man findet die seltsamsten Ausdrücke.

Was kann man tun? Man kann es besser machen! Wir sollten dem polternden Konvent auch in Zukunft nicht nacheifern. Ein Hund wird sich nachgewiesen niemals einen Fleischvorrat anlegen. Unsere Verantwortungsträger sollten aber stets auch für Unvorgesehenes Vorsorge tragen, konzeptionelle Ansätze nicht vorsorglich behindern und ohnehin sorgsam mit dem Verdienst der Bürger umgehen.

? Martin Plötze ist Mitglied des AfD-Kreisverbands Dresden und Spitzenkandidat zur Kommunalwahl im Wahlkreis 2.

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