Tellkamp versus Grünbein – eine Diskussion zur Meinungsfreiheit

Tellkamp versus Grünbein – eine Diskussion zur Meinungsfreiheit

Tellkamp versus Grünbein – eine Diskussion zur Meinungsfreiheit

Von Karla Lehmann

Die Kulturhauptstadt 2025 ließ am 8. März 2018 im Konzertsaal des Kulturpalastes zum Thema „Streitbar! Wie frei sind wir mit unseren Meinungen?“ diskutieren. Hintergrund bildete der Aufruf zu gelebter Meinungsfreiheit, für ein demokratisches Miteinander und für respektvolle Auseinandersetzungen – „Charta 2017“ –, nachdem die Leitung der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2017 zu Protesten gegen sogenannte „missliebige“ Verlage und „nicht gutzuheißendes Gedankengut“ folgenreich provoziert hatte. Diese Initiative ging von der Loschwitzer Buchhändlerin S. Dagen aus und wurde erstunterzeichnet vom Turm-Autor U. Tellkamp, u.a. auch von V. Lengsfeld und M. Klonovsky, insgesamt von mehr als ca. 7.000 Bürgern. Ein zahlenmäßig geringerer Gegen-Aufruf (ca. 100 Unterzeichner, 4.12.2017/17.1.2018) erfolgte alsbald unter dem Titel „Aufruf von Tätigen im Literatur-und Kulturbereich“, darunter M. Beyer und D. Grünbein. In überzogener Manier wurden darin die Autoren der Charta 2017 zu einer „angemessenen Sprache“ ermahnt und der unberechtigte Vorwurf erhoben, Autoren oder Texte zu verteidigen, „welche die demokratische Grundordnung in Frage stellen, die liberale, pluralistische Gesellschaftsentwürfe verachten oder rassistisch argumentieren“. Im Übrigen, Grünbein verweigerte die Unterzeichnung der Charta 2017, weil er das „Links-Rechts-Gerangel“ (taucht in der Charta überhaupt nicht auf!) nicht mitmachen könne.

Die von Frau K. Großmann (SZ) moderierte Diskussion – wie viel Meinungsfreiheit halten wir aus? – zwischen Tellkamp und Grünbein stieß auf sehr großes Interesse (ca. 800 Teilnehmer).

Grünbein bevorzugte es, sich mit Allgemeinplätzen zur Bedeutung der Meinungsfreiheit publikumswirksam unangreifbar zu machen (sehr hohes Gut/Grundrecht; nur durch Meinungsfreiheit ist offener politischer Diskurs garantiert, der Demokratie erst ermöglicht; Einschränkung der Meinungsfreiheit, Gleichschaltung der Medien, geistige Zensur – standen oftmals am Beginn von Kriegen; Täuschung und Meinungsmanipulation gehören zum Werkzeug der Politik! Der aufgeklärte Bürger hat Pflicht zur umfassenden Information!). Eine aktuelle Definition von Meinungsfreiheit oder der antizipierten Gesinnungsdiktatur- bzw. -korridore wurde nicht geliefert.

Tellkamp sprach an Hand ausgewählter, z.T. nicht allgemein bekannter Zitate von Politikern und von Medien die Probleme des Landes konkret an, z. Bsp.: Islam; Aufruf des sächsischen Landesvaters, besser nicht wählen zu gehen als AfD zu wählen!; Laschet: das SED-Regime habe die Hirne der Ostdeutschen nachhaltig beschädigt (dazu Tellkamp, Lachen provozierend: „schön zu erfahren, wie Laschet über seine Chefin spricht!“); aus TAZ: Opfer von sexueller Gewalt sollten als „Erlebende“ bezeichnet werden! Vortrag v. R. Wendt zum Polizeialltag an Frankfurter Goethe-Uni wurde durch linke Studenten und Dozenten verhindert; Dauer aller Antragsverfahren (ca. 10.000) in Sachsen bei ca. 7 Monaten/Antrag insgesamt >5.000 Jahre; 500 bis 1.000 illegale Grenzüberschreitungen kommen jeden Tag hinzu! Nachzug der Zweitfrau trotz geltenden Bigamieverbots erlaubt! Kant-Lesen wegen rassistischer Ansichten an HU Berlin/Erziehungswissenschaften nicht erlaubt! Am Ende seiner Eingangsstatements warf Tellkamp die Frage auf – wo ist der Gesinnungskorridor, wo fürchtet man eine Gesinnungsdiktatur?

In der Diskussion wurden sowohl verbale Entgleisungen, wie die menschenunwürdigen Verunglimpfungen von Sarrazin oder Gabriels Freitaler „Dreckspack“ und die zunehmende Rohheit in der Auseinandersetzung angeprangert wie auch die einseitige parteiliche Berichterstattung (Gaulands Wahlkampfslogan: „wir werden sie jagen“). Die Schönfärberei und bagatellisierende Charakterisierung in den Medien, bspw. die der Gewalttätigen auf dem G20-Gipfel als „Aktivisten“ oder die Bezeichnung von Wirtschaftsmigranten als „Schutzsuchende“ kritisierte Tellkamp. Die auf Regierungslinie befindlichen Journalisten haben es bisher nicht für notwendig befunden, die noch nicht erfolgte, aber notwendige Zustimmung des Parlaments bezüglich der gesetzeswidrigen Grenzöffnung am 5. September 2015 zu thematisieren.

Die von Grünbein etwas später in der Diskussion geforderte Untersuchungskommission zur Aufarbeitung dieses Gesetzesbruchs erhielt regen Beifall. Dazu ein weiteres, von Tellkamp vorgebrachtes Indiz – die Studienergebnisse der Otto-Brenner-Stiftung zum Umgang der Medien mit der Flüchtlingskrise. Diese bestärken die Zweifel an der Unabhängigkeit der Medien und ihre Glaubwürdigkeit. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die einseitige Berichterstattung und die verbalen Beleidigungen sowie Herabwürdigungen insbesondere gegen das „braungefärbte Dunkeldeutschland“ Spuren in Einstellung und Verhalten der so permanent Attackierten zeitigten. U.a. empfindet Tellkamp seine Meinungsäußerungen als nicht erwünscht (Kriterium für den Gesinnungskorridor), sondern höchstens als „geduldet“. Angebliche „Gewalt der Linken ausschließlich gegen Sachen“ im Gegensatz dazu „Gewalt der Rechten gegen Menschen“ wurden ins rechte Licht gerückt (Linke bezeichnen u.a. Polizisten als Sachen!), antisemitische Ausschreitungen der jüngsten Zeit vornehmlich muslimischen Zuwanderer zugeordnet. Wenn antisemitische Straftaten als rechts deklariert werden, dann werden sie auch als solche gezählt – „da fangen die Verlogenheiten und Heucheleien an“ (Äußerung von Tellkamp, der auch Grünbein zustimmte)! Nach Grünbeins Meinung müssen die Strafermittler diesbezüglich besser ausgebildet werden; alle falschen Zuordnungen sind gefährlich!

Im Gegensatz zu Tellkamp sieht Grünbein weder eine gleichgeschaltete Presse noch eine Ähnlichkeit der publizistischen Landschaft der BRD mit der der DDR-Zeit, bestärkt durch Frau Grossmann, die hinzufügte, dass sich seit geraumer Zeit ein Lernverhalten und Umdenken bei den Medien abzeichne. Auffällig in letzter Zeit sei nach Grünbeins Auffassung eine Tendenz, wonach das „wording“ der AfD immer aggressiver würde, als Beispiel oder Beleg wurde Özdemir angeführt, der der AfD zu rief, aus dem selben „faulen Holz zu sein, wie die AKP des Autokraten Erdogan“!

Auf die Frage, wen hätte Herr Grünbein als regierungskritischer Bürger bei der letzten BT-Wahl gewählt – AfD oder Linke – kam er ins Schlingern und legte sich letztlich auf die FDP fest. Die AfD jedenfalls sähe er nicht als einzige Opposition im Land! Tellkamp forderte auf, die Zitate – „Der wütende Kleinbürger ist wieder zurück, das rätselhafte Wesen, das seine sozialen Ängste in Aggressionen verwandelt.“ und „Das Geld für die Einen (Flüchtlinge) fehlt nicht woanders!“ zu erläutern, womit man wieder beim wichtigsten Thema des Abends, nämlich bei der noch immer schwelenden Flüchtlingskrise landete. Verblüffende Antwort zu letzter Aussage: Verschiedene Töpfe sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden und außerdem sei der 5. September 2015 eine einmalige Ausnahme, der Zuzug sei erst einmal gebremst! Übrigens, jeder habe das Recht sich in Bewegung zu setzen, ein Einwanderungsgesetz sei notwendig. Erwähnt wurde nicht, dass vor einer derartig folgenschweren Entscheidung das Volk befragt werden sollte. Fakt ist, dass das Volk ungefragt in ein Groß-Experiment gestürzt wurde. Obwohl Grünbein auch die Schattenseiten der unkontrollierten Zuwanderung erkannte, hält er generell die vorübergehende Aufnahme echter Hilfsbedürftiger, selbstverständlich wie alle anderen auch, für eine gute Sache.

Tellkamp ergänzte, dass die Probleme mit jenen beginnen, die nicht verfolgt sind, sondern einfach in die Sozialsysteme einwandern (ca. 95%). Er kritisierte die moralisierende Überheblichkeit derjenigen, die zuerst an die Flüchtlinge denken und diejenigen diffamieren, die das Wohl ihrer nächsten Mitbürger im Auge haben, womit der Gesinnungskorridor zu charakterisieren wäre. Grünbein insistierte auf der Feststellung, dass dieser Staat bisher keine Anstrengungen unternommen habe bzw. den Willen dazu nicht hatte, soziale Gerechtigkeit herzustellen. Die deutsche Wiedervereinigung – „große Kohlshow“ – sei zu teuer gewesen und habe die Institution überdehnt.

Die Diskussion wich gelegentlich vom Thema ab, ergab in einigen Punkten Übereinstimmung, widerspiegelte jedoch weitaus häufiger gegensätzliche Standpunkte und damit eine gewisse Zerrissenheit, wie sie auch die Bevölkerung empfindet.

Wie kann der Riß gekittet und wie kann der Zusammenhalt verstärkt werden? Es muß ein absoluter Klimawandel in der politischen Debatte her, die verbale Aufrüstung muß reduziert werden (Grünbein), alle Fakten müssen ehrlich auf den Tisch, Moralisierungen sollten unterbleiben, die Sachdebatte ist ohne Dämonisierung und Ausgrenzung zu führen, der Meinung der anderen ist mit Respekt zu begegnen und die eigene Meinung muß ohne Furcht geäußert werden können (Tellkamp) im Sinn der Ziele der Charta 2017. Verhältnismäßigkeit und redliche Argumentation ohne Haßtiraden sollten jeden Diskurs bestimmen.

G. Kubitschek als Betroffener der Frankfurter Buchmesse ergänzte aus dem Publikum, dass die Meinungsfreiheit an den Rändern verteidigt werden muß, um die Pluralität zu erhalten. Fragwürdig blieb, ob der Riß in der Gesellschaft nicht unbedingt erhalten werden sollte, um das konstruktive Ringen um bestmögliche Lösungen zu optimieren.

? Dr. Karla Lehmann ist Mitglied des AfD-Kreisverbands Dresden.

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