Joachim M. Keiler:
Viele Pfeifen ergeben noch keine Orgel
Die BILD-Zeitung berichtet am vergangenen Wochenende unter der Überschrift »Will die SPD Wahlkampf gegen „die Wirtschaft“ machen?« von einem Tweet der SPD-Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley. Die SPD-Position wurde der von CDU/CSU-Spitzenkandidaten Manfred Weber gegenübergestellt: SIE für ein „Europa der Bürger“. ER für ein „Europa der Wirtschaft“.
Dr. Joachim M. Keiler, stellvertretender Landesvorsitzender, kommentiert:
Immerhin offenbart die Strategieorientierung, dass die EU als Handels- und Wirtschaftszone entstanden ist. Das erklärt die Ausrichtung auf wirtschaftliche Belange. Zu einer Staatsverfassung taugen die EU Verträge nicht, auch nicht im derzeitigen Zwitterzustand zwischen Freihandelszone und Staatsorganisationsrahmen.
In einer Zeit, in der menschliche Arbeitskraft die Produktion von Gütern zunehmend weniger dominiert oder Produktion in Billiglohnländer verlagert wird, ist auch die SPD Idee einer europäischen Arbeitslosenversicherung keine Lösung, denn sie stabilisiert nur die Arbeitslosenquoten in den Mitgliedstaaten. Nur wer sich anderenorts Arbeit verspricht, nutzt Freizügigkeit. Diese wird auch genutzt, allerdings in die Sozial- und Versorgungssysteme der Wirtschaft führenden Nationen der EU. Dies liegt wiederum am starken Lohngefälle der Mitgliedstaaten. Die EU wurde viel zu schnell vergrößert ohne auf die Konvergenzkriterien zu achten. Das hat zur Folge, dass sich der Mangel verteilt und nicht der Wohlstand. Viele Pfeifen ergeben noch keine Orgel. Das Zusammenspiel macht es, Zusammenspiel diverser Einzeltöne. Stimme ich alle Pfeifen gleich, ergibt das nur einen Ton; der kann auch ein Misston sein. Einen solchen vernehmen wir gerade in Europa.
Europa braucht Flexibilität, Europa braucht Vielfalt, Vielfalt der Vaterländer. Die EU braucht die Reformvorschläge der AfD, vor allem mehr Transparenz und Bürgerakzeptanz. Soll Europa gelingen, muss die EU reformiert werden. Die Gesetzgebung muss zurück in die nationalen Parlamente.